Mir ist bewusst, dass viele E-Auto-Fahrer hierüber lachen. Dennoch denke ich, ist das Thema schon relevant für alle, die neu auf ein E.auto umsteigen und das nicht, weil sie naiv wären.
- Mir ist bewusst, das Normverbräuche unrealisierbar sind. Mein Verbrenner soll 5 Liter verbrauchen, in der Praxis verbrauche ich 6,5 Liter. Ich komme also mit 30% Abweichnung durchaus klar.
- Wenn ich also mit WLTP +30% Mehrverbrauch rechne, hab ich keine unrealistischen Erwartungen ans Auto, so mein Gedankengang. Beim E-Auto zeigt sich: Das passt auch, sofern ich ein Kurzstrechkenprofil habe.
- Mein Verbrenner braucht immer in etwa dasselbe, außer ich fahre ihn NUR in der Stadt oder NUR am Hochgeschwindigkeitslimit. Mir ist also bewusst, dass meine Fahrweise (rasant oder zurückhaltend) eine Einfluss hat.
Die Probleme, die einem als Benzinerfahrer nun auftauchen, und auf die man - trotz Kenntnis des "Unrealismus" der Werksangabe vorhanden sind:
- Ein E-Auto verbaucht im Winter nicht 5% mehr, sondern 20% mehr.
- Ein E-Auto verbraucht selbst bei moderater Autobahnfahrt (130 km/h) offenbar 30% als "im Durchschnitt".
- Selbst wenn mir der Verbrauch egal ist, hab ich beim E-Auto das Problem der Reichweite
- Die Reichweite beim WLTP ist durch die "Nutzbarkeit" der Batterie (10-80% SOC) nochmal um zusätzliche 30% verringert.
Das führt in der Praxis eben dazu:
Bei meinem Benziner verbrauche ich 6,5 Liter /100 km bei 130 km/h. Der Tank ist mit 35 Liter nicht groß, aber ich kann ihn von 100% bis 0 % ausfahren. Damit komme ich 530 km weit, was im Vergleich zum WLTP (700km) zwar 20% weniger, aber vernachlässigbar ist, weil die Tankzeit von 0->100 praktisch identisch ist zu jeder anderen Teilbetankung.
Beim #1 Brabus habe ich bei gleichem Fahrprofil statt WLTP 400 km in der Praxis bei 130 km/h nur noch 180 km zur Verfügung, wenn ich die Strecke zwischen den Ladestopps sehe. Das ist eine Abweichung von ca. 60% zur Werkangabe oder anders gesagt: Die realistisch nutzbare Reichweite auf der Langstrecke liegt bei ca. 40% der WLTP Angabe.
Als bisheriger Benzinfahrer sind das Umstände, die selbst bei "E-Auto-Freundlicher Denkweise" doch schon krass sind. Das soll auch keinerlei "Schlechtreden" sein, aber die Idee, dass "Reichweite bei aktuellen E-Autos nur noch ein "kleines Problem" wäre, ist angesichts von 60% Abweichnung zu den Werksangaben eben aus meiner Sicht doch falsch.
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Das ist komplett richtig und der Grund, warum dieses Fahrzeug definitiv nicht für regelmäßige Langestrecke geeignet ist. Und damit meine ich alle Strecken über 250km. Einen Ladestopp von wenigen Minuten am Schnelllader kann man evtl noch verkraften, auch wenn es auf Dauer natürlich Zeit kostet im Vergleich zum Verbrenner. Aber sobald man häufig in km-Regionen darüber fährt, ist dieses Auto meiner Meinung nach ungeeignet bzw es gibt definitiv bessere Alternativen, auch im Elektrobereich.
Damit kommt man schon zur Kernfrage, die sich jeder stellen sollte vor dem Kauf eines solchen Autos: Wie oft im Jahr fahre ich eine Strecke auf der Autobahn (am Stück oder als Fahrt Hin- und Rück ohne Lademöglichkeit Vorort), die >200km lang ist mit dem Fahrzeug?
Ich selber wohne im Ruhrgebiet und bin hier viel unterwegs. Auch in den angrenzenden Großstädten Düsseldorf und Köln. Diese Ziele erreiche ich allesamt als Hin- und Rückfahrt ohne zu laden. Insgesamt kann ich vermutlich deutlich über 10 Mio Menschen in über 40 Städten besuchen und zurück nach Hause fahren, ohne unterwegs laden zu müssen.
Weitere Strecken fahre ich höchstens 3x im Jahr und diese liegen alle im Bereich von ca. 250km und sind immer verbunden mit einem dortigen, längeren Aufenthalt (mind. 3 Stunden). Hier müsste ich also auf der Strecke relativ kurz laden (vermutlich 10 Minuten am Schnelllader) und dann am Ort selber während des Aufenthalts.
Bei diesem Fahrprofil lade ich also insgesamt 9x im Jahr außerhalb meiner Garage, ca. 10 Stunden , wobei davon nur 60 Minuten wirklich Zeitverlust darstellen, da die restlichen 9 Stunden ja während des Aufenthalts an meinen Zielorten geladen werden. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass ich zuhause relativ unkompliziert und ohne Zeitverlust lade (kurz in der Garage den Stecker ins Auto stecken) und diesen Aufwand mit meinen bisherigen, regelmäßigen Tankstellenbesuchen mit dem Verbrenner vergleiche, komme ich vermutlich auf einen ähnlichen, wenn nicht sogar höheren Zeitaufwand im Jahr beim Verbrenner fürs Tanken.
Das alles sähe natürlich etwas anders aus, wenn man nicht zuhause laden könnte, wobei es ja auch oft da ganz gute Lösungen gibt, bspw wenn man am Arbeitsplatz laden darf/kann. Das kann man sich ja selber mal ausrechnen, aber ich denke es zeigt schon deutlich eine Binsenweisheit: Nämlich, dass Reichweite nur wirklich wichtig ist, wenn man diese auch fährt ;-).