(Der Text ist länger geworden als gedacht. Hatte nicht vor eine halbe wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema zu lesen, das Fernsehprogramm war jedoch eindeutig nicht besonders interessant… hab’s jetzt trotzdem mal gepostet, vielleicht interessiert es ja jemanden)
Das Thema Schieflast ist in Deutschland in der VDE-AR-N-4100 geregelt. Darauf bauen dann die Netzbetreiber ihre TAB (Technische Anschlussbedingungen) auf. Mit der Nutzung eines Netzanschlusses (oder auch bei Anmeldung eurer Ladestation beim Netzbetreiber) habt ihr euch mit diesen Bedingungen einverstanden erklärt.
In den TAB 2019 heißt es unter Punkt 10.1 Absatz 3: Nach VDE-AR-N 4100 sind elektrische Verbrauchsmittel und Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge mit einer Bemessungsleistung von jeweils > 4,6 kVA im Drehstromsystem anzuschließen.
Da Ladeinfrastruktur einen Leistungsfaktor von nahezu 1 hat ist kVA = kW und das einphasige Laden somit bei 20 Ampere = 4,6 kW begrenzt.
In der VDE-AR-N-4100 (da das eine kostenpflichtige Norm ist zitiere ich nicht direkt) heißt es darüber hinaus noch in Kapitel 5.5.2 Symmetrischer Betrieb, das eine Unsymmetrieleistung von insgesamt 4,6 kVA am Netzanschlusspunkt beim Laden von u.a. Elektrofahrzeugen (aber auch ganz allgemein) nicht überschritten werden darf.
Kann ich trotzdem einphasig mit mehr als 4,6 kVA laden?
Theoretisch ja, wenn:
- ich einen einphasigen Wechselrichter habe der auf der gleichen Phase einspeist wie mein Auto lädt. Gesamtladeleistung somit dann 4,6 kVA + Einspeiseleistung Wechselrichter
- der Netzbetreiber eine Ausnahme genehmigt (immer nur für Einzelfälle, mir ist aktuell keiner bekannt der das generell macht, ich lerne aber gerne noch dazu)
- ich eine Einrichtung verwende, die die Schieflast verhindert (es gab vor paar Jahren mal eine Ladestation die das konnte, Name fällt mir gerade nicht mehr ein)
Kann ich mit mehr als 4,6 kVA laden wenn ich Überschuss aus der PV-Anlage hab?
Bei normalen dreiphasigen Wechselrichtern: nein. Der Wechselrichter speist auf allen 3 Phasen gleichmäßig ein (genau genommen: mit dem gleichen Strom), durch den hohen Verbrauch auf einer Phase entsteht trotzdem eine Schieflast von > 4,6 kVA am Netzanschlusspunkt. Der Hauszähler zeigt zwar 0 Watt Bezug an, das liegt aber daran, dass es sich um einen Summenzähler handelt. Hier ein Beispiel: Phase 1 hat z.B. -5 kW, Phase 2: +2,5 kW, Phase 3: +2,5 kW. In Summe macht das eben null, es findet aber trotzdem Einspeisung und Bezug aus dem Netz statt. Zudem haben wir eine Schieflast (Phase L1 zu L2 oder L1 zu L3 = 7,5 kVA Schieflast, recht genau unser Auto das mit 7,4 kVA einphasig gerade lädt).
Ausnahme: Ich habe einen einphasigen Wechselrichter auf der gleichen Phase wie das Auto lädt oder 3 einphasige Wechselrichter die Schieflast am Netzanschlusspunkt korrigieren können (gibt es, habe ich aber noch nie im privaten Bereich gesehen).
Sonderfall: 7,4 kW zweiphasiges Bordladegerät
Bei VW hat man sich z.B. wegen der Schieflastregelungen für ein zweiphasiges Bordladegerät entschieden. Das lädt dann an zwei Phasen mit 16A, kommt gesamt also auch auf 7,4 kW Gesamtleistung, bleibt aber unter der Schieflastgrenze. Warum Smart diesen Weg nicht auch gegangen ist - keine Ahnung. Ist ja nicht nur Deutschland das Regelungen zur Schieflast hat
Zu guter Letzt noch: warum eigentlich diese 4,6 kVA Schieflastgrenze?
Ältere Trafos kamen aufgrund der Bauweise schlechter mit Schieflasten klar. Heutige Trafos vertragen das etwas besser dank einem anderen Aufbau (meist sind 10% Schieflast ok, in Extremfällen benutzt man Trafos mit Zickzackschaltung), Generatoren im Kraftwerk hingegen vertragen es immer noch nicht. Bei Schieflast im Netz kommt es zu Wirbelströmen im Stator des Generators, das sorgt für Hitze = Verluste. Im schlimmsten Falle überhitzt der Generator und es kommt zu einem Schaden. Ganz allgemein reduziert Schieflast die nutzbare Kapazität des Stromnetzes und erhöht die Kosten. Trafos die Schieflast vertragen sind wesentlich teurer und erzeugen mehr Verluste, also Mehrkosten die die Allgemeinheit über Netzentgelte finanziert. Wir haben den großen Vorteil ein dreiphasiges Netz zu haben, das sollten wir somit auch nutzen.
Gäbe es große Probleme oder gar einen Blackout wenn ich mein Auto daheim trotzdem mit 7,4 kVA einphasig lade? Nein, höchstwahrscheinlich nicht. Würden es aber sehr viele oder alle machen gäbe es durchaus Probleme in der Stromversorgung und die Netzentgelte würden noch weiter steigen.